Und so beschreibt Pfarrer Wolf die Bahneinweihung 1901 in seiner Chronik:
30. Mai (Donnerstag). Einweihung der neuen Eisenbahnlinie Uerikon – Bauma. Endlich ist der längst ersehnte Festtag, das große Ereignis da. Was Hunderte noch vor etlichen Jahren bezweifelt, ist zur Tatsache geworden. Ein strahlender, wolkenloser Himmel, feierliches Festwetter. An allen Orten geschäftiges Treiben mit dekorieren der Häuser und Straßen. Viele Häuser sind auf diesen Festtag hin renoviert, gemalt oder geweißelt worden. Auf allen Gesichtern strahlt die Freude. Um 9½ Uhr nimmt der Festzug von Bauma herkommend, die angemeldeten Festgäste – des großen Zudranges wegen können außer den Mitgliedern der Behörden nur wenig andere Bürger an der Fahrt teilnehmen – zur Weiterfahrt nach Ürikon auf. Nachmittags 3 Uhr trifft der officielle Festzug ein, 10 Wagen mit 2 Locomotiven, die erste prächtig geschmückt, unter dem Donner der Mörser, dem Geläute aller Glocken, den brausenden Hochrufen der zahllosen Menge. So viel Menschen hat Bäretswil wohl seit Jahrzehnten nicht mehr in seinen Straßen gesehen. Musik- und Liedervorträge der Musikgesellschaft Adetswil, des Gesamtmännerchors und des gemischten Chores Bäretswil; die Damen des letztern credenzen Ehrenwein, die Mitglieder des Turnvereins sorgen für Aufrechterhaltung der Ordnung. Jubelnde Begeisterung bei Alt und Jung. Nach der Rückkehr der hiesigen Festgäste von Bauma, Festzug durch das Dorf; nachher Bankett im „Bären“. Reden der Herren Bezirksgerichtspräsident J. Fischer im Stockacker und Mayor J. Bünzli, Gesangs- und Musikvorträge. Es ist ein heißer und feierlicher Tag, der Allen unvergeßlich sein wird.
31. Mai (Freitag). Jugendfest für die gesamte Schuljugend der Gemeinde Bäretswil: 470 Kinder, 42 Spielführer und Spielführerinnen. Spielplatz: Wiese des Herrn Arnold Spörri bei der Fabrik. Spiele der Kinder: Klettern, Sacklaufen, Topf- und Ringschlagen, Seilziehen. Aufführung der „Milchsuppe von Kappel“ durch die Sekundarschüler. Liedervorträge der Schüler, der Musikgesellschaft Adetswil, Festrede des Ortsgeistlichen als Präsident der Schulpflege. Erfrischung der Schüler auf dem Spielplatz. Festzug durch das Dorf und Bewirtung der Kinder in sämtlichen Wirtschaften. Der ganze Festtag ist ausgezeichnet durch einen wolkenlosen Himmel; heiß kommt die Sonne auf den Festplatz hernieder; doch geht zu Zeiten eine angenehme frische Bise. Abends 4¼ Uhr geht die letzte Post, die schon am Morgen mit Kränzen und Fahnen geschmückt war, nach Wetzikon ab. Sämtliche Briefträger en grande tenue, der Posthalter sowie ehemalige Postillone geben ihr in einem Beiwagen das letzte Ehrengeleite. Um ¼6 Uhr fährt die letzte Post nach Bauma, ebenfalls reich geschmückt. Jungfrauen von Bauma geleiten den alten Postillon Herrn Hs. Jakob Grimm-Pfister, der Jahrzehnte die Post von Hier nach Bauma geführt, nach Bäretswil zurück und nehmen ihn zu einer frohen Abschiedsfeier nach Bauma. Erst ums Morgengrauen wird der letzte Postillon von Bäretswil zu seinem heimatlichen Penaten entlassen. Mit mehr als einstündiger Verspätung kommt die letzte Post von Wetzikon zurück Abends 10½ Uhr. Die ganze Dorfbevölkerung promeniert in den Straßen, die, da fast Vollmond ist, beinahe taghell sind. Nach der gewaltigen Tageshitze wird die milde kühle Abendluft besonders angenehm empfunden. Endlich naht die Post, sie wird mit Hurrah-Rufen und Gesang und einem Tusch der Musikgesellschaft empfangen. Herr Gemeindspräsident J. Fischer hält vom Sitzbrett herab der Post die Abschiedsrede, er weist hin auf den Wandel der Zeiten: das Alte stürzt und neues Leben blüht aus den Ruinen! Mit einem dreifachen Hoch auf die alte Post, die neue Eisenbahn und auf den Fortschritt, wird die alte gelbe Postkutsche in die Remise, die treuen geduldigen Postgäule zu ihren gefüllten Futtertrögen entlassen. Bis um Mitternacht freut sich die ganze Menge über die beiden herrlichen, durch keinen Unfall oder Mißton getrübten Festtage.