Grüenau als Zeugin der Stickerei-Epoche in Adetswil
Bereits 1879 baut der Adetswiler Stickfabrikant und Instruktor Rudolf Meyer ein Stickerei-Gebäude mit Wohnungen, mehrheitlich aus Holz, auf seine Grüenau-Flur. 1927 erwirbt die Fabrik im Tobel das Gebäude als Kosthaus für ihre Belegschaft. In den 2010er Jahren wird das Mehrfamilienhaus mit einfachen Wohnungen wieder von der Liegenschaft im Tobel getrennt. Seit der jüngsten Überbauung der Umgebung steht das betagte Haus beinah wie ein Fremdkörper in einer modernen Wohnlage bester Qualität. Auf der anderen Seite ist es ein stehender Zeuge aus der belebten Geschichte der Gemeinde Bäretswil und insbesondere von Adetswil. Dazu bietet es günstigen Wohnraum für einfache Ansprüche.
Die «Grüenau» steht bis heute in Adetswil als Zeugin für die Epoche der Stickerei von 1880 bis zum Ersten Weltkrieg, die zumal in Adetswil von erheblicher Bedeutung war. Adetswil wird damals ein eigentliches Stickerdorf mit etwa 40 Sticklokalen. Der Industriezweig der Hausstickerei war indes nur für einigermassen Betuchte zugänglich, weil der Erwerb einer Stickmaschine eine Investition von einigen tausend Franken erforderte und überdies noch bauliche Massnahmen nötig wurden. Separate Stickereigebäude, erkenntnlich an den grossen Fenstern, standen zum Beispiel auch im Mülichram, in Vorderbettswil, im Tisenwaltsberg, auf der Oberen Waswies, im Wabig oder an der Stapfetenstrasse. Schlichte Kleinbauernhäuser verwandelten sich durch die neuen Maschinen, bedient von flinken Händen (auch Kinder halfen mit) in kleine Produktionsstätten der gefragten Stickerei. In der Fabrik im Tobel wurden lange Stickmaschinen aufgestellt. Da die Stickerei vor allem in Adetswil für eine ganze Generation lustiges Geld ins Dörfchen spülte, «händ sich d Sitte und d Läbeswis vo de Iwonere ghörig veränderet», erinnert sich Gottfried Strehler 1952. Der Schweizer Isaak Gröbli erfand schon 1863 in Uznach die erste «Schifflistickmaschine», die 1898 zum lochkartengesteuerten Stickautomaten entwickelt wurde. Nach 1910 das allmähliche Ende der Handstickerei eingeläutet, ganz ähnlich wie seinerzeit die mechanischen Spinnereien die Spinnräder oder die Webereien die Handwebstühle überflüssig machten. So mussten schliesslich auch in Adetswil die lange geliebten Handstickmaschinen zum Altmetallpreis verschrottet werden.
A. Sierszyn, 20.10.2020
Literatur
1 - A. Sierszyn, J. Albrecht: Bäretswil. Ein Heimatbuch. Hrsg. Pol. Gem. Bäretswil 2015, Grüenau Kap.6ee S. 201-204