Mit der Corona Krise 2020 hat Homeoffice eine unerwartete Bedeutung bekommen. Zwar wurde dies dank Internet von vielen Firmen schon in den 1990-er Jahren ermöglicht und angeboten, aber eingesetzt wurde es nur sehr zögerlich. Zu gross war wohl die Befürchtung, von der Firma nicht ganz ernst genommen zu werden, zu stark wohl auch das Bedürfnis nach dem direkten Kontakt mit den Mitarbeitenden. Doch das Corona Virus machte Homeoffice zur staatlich verordneten Pflicht.
Heimarbeit hatte im Zürcher Oberland, wie Sieglinde Geisel im Heimatspiegel 1988[1] ausführt, um 1800 eine existenzielle Bedeutung. Viele konnten vom Bauern allein nicht mehr leben oder waren vollständig vom Spinnen und Weben abhängig. Die frühe Industrialisierung im Zürcher Oberland hatte eine Einwanderungswelle zur Folge. 1771 zählte Bäretswil 2’698 „Seelen“, 1836 bereits 3’462[2]. Um die Einwanderung zu stoppen, verboten die Gemeinden den Neubau von Häusern. Die einzige Möglichkeit blieb noch der Anbau einer weiteren Wohneinheit in Firstrichtung an ein bestehendes Gebäude, was zu den für das Zürcher Oberland typischen Flarzen führte.
Die Infrastruktur für die Heimarbeit hat sich leicht geändert. Für das Spinnen benötigte man lediglich ein Spinnrad, das man bei schönem Wetter leicht nach draussen tragen konnte, um gemeinsam mit andern bei Gespräch und Gesang zu arbeiten. Aber das Spinnen wurde als erstes mechanisiert und die Leute mussten auf das Weben ausweichen, was einen teuren Webstuhl und grossen Raum benötigte, sodass oft in feuchten Kellern gewoben werden musste. Das ist beim Homeoffice wieder einfacher geworden. WLAN, Notebook und Video/Chat erlauben schon (fast) wieder das Arbeiten am Stubentisch. Das Bedürfnis nach direktem Kontakt zu Arbeitskolleg*innen bleibt.
Die Zeiten ändern sich … und immer wieder Jakob Stutz
Die Art und Weise, wie Jakob Stutz 1836 den Wandel in «Der Brand von Uster» beschreibt, ist überzeugend. Er selbst nennt es «ein Zeitgemälde». Sein didaktischer und pädagogischer Impetus ist unverkennbar und typisch für die Zeit eines Pestalozzi mit «Lienhard und Gertrud» und der unbeirrbaren Hoffnung auf Verbesserung der Lebensumstände durch ein erneuertes Schulwesen.
Sein erstes Gemälde, seine «Erste Zeit» malt die Arbeit in der Spinnstube um’s Jahr 1807, wo der (Rellsten-) Felix die schreckliche Neuigkeit von der Einführung der Spinnmaschine verkündet. Er will dagegen mit dem Sturm auf die Obrigkeit ankämpfen, damit diese die Einführung der Maschinen verbiete. Ein Gesprächsteilnehmer meinte, man könnte ja auch noch «lehre webe», aber Felix:
Ja wenn er Platz hätt zum e Weberstuehl,
Sis Stübli hät jo blos drü Feisterli.
Und Geld zum Baue hät er wäger auh
Sä wenig as ich hä, de Tropf.
Mer händ zum Weberstüehle gar kei Platz.
Herr Jesis! wenn ’s nu do nüd hebe wor,
Dänn wär ’s mir nüd edeweg angst.
Die «Zweite Zeit» spielt dann bereits in einer Webstube um’s Jahr 1814 – neue Zeiten – und nichts ist so sicher wie der stete Wandel.
Dass Jakob Stutz seine Gemälde in «gereimten Gesprächen Zürcherischer Mundart» malt, macht sie für die Nachwelt besonders farbig, für weite Kreise aber leider schwer zugänglich[3].
P. Bischofberger, 24.2.2021
Einzelnachweise
[1]Sieglinde Geisel: Heimatspiegel, Monatsbeilage des ZO. Okt. 1988, Arbeiten am Stubentisch
[2]A. Sierszyn, J. Albrecht: Bäretswil. Ein Heimatbuch. Hrsg. Pol. Gem. Bäretswil 2015, Moderates Wachstum im Dorf Kap.8c S.245
[3]Jakob Stutz: Gemälde aus dem Volksleben. Der Brand von Uster. F.Schulthess, Zürich 1836, Digitalisat e-rara