Holenstein

Der Holenstein und seine Bewohner

Der Bauernhof der Familie von Rolf Dobler im Holenstein am Fuss des Höch-Almens liegt auf dem südlichsten und zugleich niederschlagsreichsten Gebiet der Gemeinde Bäretswil. Im Winter hat hier auf 870 Metern Höhe der Pfadschlitten besonders viel zu tun, weil sich die Wolken am Almen stauen. Bis ins 18. Jahrhundert heisst die Flur «im Grossacher». Hier lag seit dem Mittelalter die sonnenbeschienene Zelg der Wappenswiler Bauern. Erst als die textile Heimindustrie am Spinnrad gute Tage bringt, beginnt man auch in Wappenswil, Häuser auf die geschützte Ackerflur zu bauen.

PAG.WAP2.029
Holenstein, Frühling 2014
Holenstein, 2014

Es ist nicht ganz sicher, ob sich auf dem Wappenswiler Grossacher nur die Fischer oder auch die Pfenninger baulich engagieren. Der obere Holenstein mit Haus und Scheune wurde gemäss dem Pfettenspruch in den Jahren 1778/79 aufgerichtet. Das Bauernhaus im unteren Holenstein (heute Ferienhaus) etwa aus dem Jahr 1790 ist das Werk von Jacob und Hs. Heinrich Fischer, die dort wie auch in der Chappelen begütert sind. Jacob Fischer, der sieben Söhne hat, erwirbt zugleich von den Girenbader Pfenningern zehn Hektaren Land samt einer Scheune auf dem Almen und baut dort das Almenhaus. Für den Bau des unteren Holenstein-Hauses verwenden die Fischer Steine von der Ruine der einstigen Kirche in der nahen Chappelen.

Dachbalkenspruch, Holenstein 1778
Dachbalkenspruch, Holenstein 1778

Vom Wohnhaus im oberen Holenstein sind noch Teile einer Wandpfette vorhanden. Den wertvollen Balken ziert zunächst ein Fisch. Dann folgen die Worte: «Ehre Seye Gott in Den Höhenen : Fried auf Erden : an den Menschen. Ein Wolgefalen : Der Bau war aufgericht : Den 21 Tag Heümonat anno 1778 Jahr. Von mir geschriben Heinrich Pfeniger (dann ein Fisch entgegen schwimmend) Hans Jakob Durch Baumeister Hans Egly Dies Haus steht in Gottes Hand : Der Herr Bewars vor Feür und Brand 1778».
Heinrich Pfenninger (vom Tisenwaltsberg?) hat den Balkenspruch geschrieben. Ob er auch der Bauherr ist, bleibt ungewiss. Die beiden Fische legen die Möglichkeit nahe, dass Hans Jakob Fischer der eigentliche Bauherr ist. In den Grundbüchern von 1780 bis 1805 dominieren im Raum Holenstein die Fischer. Auch die Brandassekuranz von 1813 meldet für beide Häuser den Namen Fischer. 1850 leben im unteren wie im oberen Holenstein 32 Seelen, alle mit Namen Fischer. Erst in den 1910er Jahren zieht in den oberen Holenstein der Schübelbacher Fridolin Dobler ein. Mit Rolf Dobler, der im Jahr 2000 das Vielzweckhaus saniert, lebt heute die vierte Dobler-Generation im Holenstein.

Während sich im 18. Jahrhundert der Name Grossacher verliert, fehlt in den Pfarrbüchern bis ins frühe 19. Jahrhundert der Name Holenstein. Erst die Wildkarte von 1850 führt die neue Ortsbezeichnung ein. Der Name Holenstein hat nichts mit der Täuferhöhle zu tun; darum schreibt er sich auch ohne «h» – genauso wie seine Namensvetter in Seegräben, Bülach, Glarus oder Zihlschlacht.

Wappenswil mit Schwarzweid, Platten und Holenstein (oben rechts) 2014, dahinter Allmen (mit Täuferhöhle)
Wappenswil mit Schwarzweid, Platten und Holenstein (oben rechts), dahinter Allmen (mit Täuferhöhle). 2014

Das Zehntenverzeichnis der Pfarrpfrund Bäretswil kennt indes schon 1541 das «Holensteintobel». Hier, am jungen Aabach, am schattigen Rand der genutzten Wiesen, liegt auch die alte «Hell». 80 Höhenmeter darüber, auf dem Almen, grüsst der «Hömel» oder «Himmel». Der Holenstein ist also ursprünglich ein Hellen- oder Höllenstein, d. h. ein Stein in oder bei der Hell. Der neue Ortsname vermag sich freilich erst im Lauf des 19. Jahrhunderts als Bezeichnung der beiden Höfe auf dem ehemaligen Grossacher durchzusetzen.

Armin Sierszyn, Bettswil, 12. Nov. 2022

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