Hürlimann und die Alte Post

Der Fund in der alten Post

Mitte Januar 2020 kam das Telefon. Die neue Hausbesitzerin an der Schulhausstrasse 3, früher Musik Schaufelberger und noch früher Zur Alten Post, rief an. Sie hatten das Haus 1999 von der Erbengemeinschaft Schaufelberger gekauft und innen weitgehend selber umgebaut. Beim Aufbrechen einer Wand im ersten Stock kam eine Kiste voll alter Dokumente zum Vorschein. Die Besitzerin, der altdeutschen Schrift unkundig, hatte die Dokumente schon intensiv gesichtet und thematisch geordnet. Interessanterweise sind die Personennamen und Ortsbezeichnungen meist in neudeutscher Schrift geschrieben. Die meisten Dokumente liegen zwischen 1760 und 1900. Namen wie Heinrich und Jacob Hürlimann sowie Allenberg kommen immer wieder vor.


Bei einer Sichtung mit Armin Sierszyn zeigte sich, dass es dabei grossenteils um Doppel von Rodel, Kaufbriefen und Verträgen ging, die notarisch bekundet und damit auch im Staatsarchiv in Zürich zugänglich sind. Da es damals keine Banken gab, wurde bei einem Hausbau oft von vielen Leuten Geld geliehen. Das wurde im Grundbuchamt dokumentiert. Ein Doppel zu Handen des Gläubigers wurde aber nur für die wichtigsten Geldgeber erstellt. Verzinst und bezahlt wurde jeweils zu Martini (11. November). Neben diesen Verträgen gab es in der Kiste unzählig viele Rechnungen, Quittungen und Memorabilien finanzieller Natur, die aufzuheben für Hürlimanns wichtig waren.

Kantonsrat Hürlimann und Musikdirektor Schaufelberger

Gemäss Sierszyn wird der Stammvater Heini Hürlimann von Wald bereits 1419 erwähnt. Laut einer Urkunde des Klosters Rüti von 1431 übergibt er seine beiden Töchter Greta und Anna von Unterbach-Hinwil als Leibeigene dem Kloster. 1468 taucht dann ein Heiny Hürlimann auch in Bäretswil auf und nach der Pest von 1629 besiedeln die Hürlimanns den Vorderen Allenberg (1680 Jörg Hürlimann), den seine Nachfolger über 200 Jahre besiedeln.
In den 1750/60ern war Marx Hürlimann Chirurg und Dorfarzt auf der Linde. Legendär ist Hauptmann und Kantonsrat Theodor Hürlimann (BGB, gest. 1957) ab dem Allenberg, 50 Jahre Präsident der Viehzuchtgenossenschaft, zunächst Wirt auf der Alten Post, später Güetli. Und ebenso legendär dessen Tochter Lilly, genannt „Hüpf“, die über viele Jahre Hauswirtschaftslehrerin in Bäretswil war. Sie war unverheiratet und zog nach der Pensionierung nach Wetzikon. Die letzten Nachkommen von Theodor Hürlimann und dessen Frau Hulda stammen von Lillys Bruder Walter (Sven, *2000 und Joël, *2003).[1]

Nach dem Umzug von Theodor Hürlimann von der Alten Post zum 1921 erbauten „Güetli“ an der Bahnhofstrasse (1927) schliesst das Restaurant Zur Alten Post dann 1945. Der Wegzug hatte seine Logik. Mit dem Bau des Bahnhofs (Eröffnung 1901), der Bahnhofbrücke (1902) und der Bahnhofstrasse war es schick, an dieser neuen Strasse zu wohnen. Beim Umzug hat er offenbar seine Kiste mit den Dokumenten „vergessen“. 1987, 30 Jahre nach seinem Tod, wurde die neue Post – direkt angebaut an sein „Güetli“ – eröffnet!
Nach dem Tod von Otto Schaufelberger sen. (gest. 1944), Pächter des Froberg und Rosinli, Gemeinderat, Solosänger und Mitglied des Musikvereins zieht seine Witwe Amalie in die Alte Post. Ihr Sohn Otto Schaufelberger jun. (gest. 1995) wird Musikdirektor, Dirigent verschiedener Chöre und Komponist und richtet im Haus eine Musikschule ein.

Standorte der Post im Kirchdorf

Wie alles ist auch „Alte Post“ relativ.
Das erste Postbüro befand sich im 1834/35 erbauten Bären (1838 – 1850) (zeitR), geleitet vom Erbauer des Bären, Bärenwirt, Waagmeister und Gemeindepräsident David Wolfensberger, der dann 1850 zum Posthalter befördert wurde.
Nachdem 1856 Wetzikon die Bahn nach Zürich und 1875 Bauma mit der TTB die Bahn nach Winterthur erhielten, war Bäretswil über die Postkutsche mit den beiden Bahnhöfen verbunden, bis dann 1901 die UeBB durch Bäretswil dampfte und der Kutschenbetrieb eingestellt wurde.

Die „Alte Post“ neben der Kirche wurde 1813 als Doppelbauernhaus gebaut und beherbergte die Post von 1851 – 1860 (zeitR). Hausbesitzer und Posthalter war Johannes Spörri. Zugleich und darüber hinaus war es auch das Restaurant „Zur Alten Post“, das später von Th. Hürlimann weitergeführt wurde.
1861 – 1869 im Bürgerhaus Raths (Wetzikerstrasse 9) (zeitR)
1869 – 1951 „Alte Post“ an der Wetzikerstrasse 3 (unter Familie Meyer) (zeitR).
1951 – 1987 im Gebäude der EKZ an der Bahnhofstrasse (zeitR)
Ab 1987 Neubau an der Bahnhofstrasse, verbunden mit dem alten „Güetli“ (zeitR) (und damit wieder bei Hauptmann Hürlimann selig)

Nota bene:
Wir suchen Leute, die sich an die Bergung des Hürlimann-Schatzes wagen. Da sich die Dokumente über mehrere Generationen Hürlimann erstrecken und vielfältig sind, ergibt sich daraus ein lohnenswerter Einblick in die Lebensumstände in Bäretswil. Nötig ist dazu natürlich die Einarbeitung in die altdeutsche Schrift. Aber sicher ein spannendes Hobby (sicher spannender als Kreuzwort-Rätsel lösen!).
Weitere Infos erhalten Sie von Pius Bischofberger (info@chronik-baeretswil.ch).

Einzelnachweise

[1]V. Horisberger-Hürlimann: Nachkommen von Hulda und Theodor Hürlimann. 2022, Stammbaum

Verzeichnis | blättern >