Moderne Strassen und Gewerbe

Moderne Strassen, Weberei und kleines Zentrum des Handwerks

1841 wird vom Kanton der Bau der neuen Verbindungsstrasse von Bussental durch Bäretswil bis nach Kempten in Angriff genommen und 1843 vollendet. Damit werden das Dorf und das Oberdorf mit einer niveaugleichen Brücke über den Aabach verbunden. Zusätzlich erfährt Bäretswil mit der neuen Strassenverbindung nach Bauma und Kempten eine verkehrstechnische Verbesserung. Im Unterschied zu den rückläufigen Aussenwachten erfährt das Dorf nun ein moderates Wachstum.

1845/47 entstehen an der Baumastrasse zwei Doppelwohnhäuser 3/5 und 9/11 (ab 1900 Spenglerei Kirsch und Sattlerei Wilhelm Spörri; im zweiten wird zeitweise Sekundarschule gehalten).

Wetzikerstrasse Richtung Bären, vor 1915
Wetzikerstrasse Richtung Bären (Mitte hinten), vor 1915
vlnr Schmitte J.+G. Kunz, Alterssitz J.Stössel (–> Sattlerei Pfenninger), Tuchfenner (–>Keller-Baur), Bären
vrnl Schmitte J.Stössel(–>K.Spörri jun), Raths (–>Schärrer), (Post Meyer, verdeckt), Bären

An der neuen Wetzikerstrasse gis (ehem. Bären) errichtet Schlosser Jakob Stössel 1847 an der neuen Strasse für sich ein Wohnhaus samt Schmitte (im Bild 1. Haus rechts). 1858 wagt Caspar Spörri mit dem Knowhow von Schlosser Stössel seine wasserbetriebene Weberei über dem Häldelibach. Bereits 1846 entsteht an der Wetzikerstrasse das spätere Gasthaus «Sternen» mit mechanischer Werkstätte. 1853 baut Kaspar Schoch seine Bäckerei und Wirtschaft zum «Freihof». Im selben Jahr integriert Rudolf Heusser an der Ecke Wetzikerstrasse / Gupfstrasse in seine bestehende Küferei eine Schmitte. Im folgenden Jahr errichtet Johannes Raths vis à vis sein geräumiges Bürgerhaus, das Fritz Schärrer kurz nach 1900 im Jugendstil umbaut (Im Bild 2. Haus rechts). 1868 lässt sich dicht daneben Gemeindeschreiber Hans Heinrich Meyer nieder (-> Postgebäude von 1869-1951). 1864 bekommt das Dorf eine weitere Schmitte und Schlosserei durch Johannes und Gottfried Kunz direkt über dem Aa-Bach und ebenso direkt gegenüber der Schmitte von Schlosser Jakob Stösssel (im Bild 1. Haus links). Diese neue Konkurrenz dürfte Stössel nicht allzu sehr bekümmern, denn er gilt im Verein mit Fabrikant Caspar Spörri als begabter Schlosser, Mechaniker, Rohrbauer und «Tüftler» bei der neuen Nutzung der Wasserkraft. Unglücklicherweise wird sein 17-jähriger Sohn 1869 durch eine Turbine erdrückt, so dass sich Stössel im Alter nochmals neu orientiert. Nur zwei Jahre später verunglückt auch Fabrikant Caspar Spörri tödlich auf einer winterlichen Fahrt im Kemptnerwald. So überträgt Stössel 1874 sein Haus samt Werkstatt an Kaspar Spörri jun., der die Liegenschaft zur Fabrikanten-Villa am Rand der modernen Strasse umgestaltet (1. Haus rechts). Für sich selbst baut Stössel im selben Jahr einen Alterssitz an der Wetzikerstrasse 4 (2. Haus links, später Sattlerei seines Schwiegersohnes Heinrich Pfenninger). Zu guter Letzt genehmigt sich Maler Heinrich Muggli 1875 an der Baumerstrasse 16 ein neues Wohnhaus samt Werkstatt, und «Tuchfenner» realisiert seinen 1886 Laden (3. Haus lins).

So erlebt das Dorf Bäretswil in der Generation nach 1840 dank besserer Strassen, der Weberei und einem kleinen Zentrum des Handwerks eine gewisse wirtschaftliche Erholung, was an den Reden des grossen Musikfests 1875 gebührend erwähnt wird. Von 1836 bis 1860 wächst die Seelenzahl des Dorfes von 804 auf 982 Personen (plus 178). Dagegen entvölkern sich zur gleichen Zeit die überladenen Aussenwachten Adetswil (- 170), Wappenswil (-163), Tanne (-127) und Berg (-67) um insgesamt 527 Personen. Bettswil kann seine Bevölkerung halten, Hof-Neuthal dank Gujers Fabrik leicht steigern. Unter dem Strich beginnt für die Gemeinde ab 1840 für 100 Jahre ein fortlaufender Bevölkerungsschwund, während das Dorf, das später ebenfalls stagniert, seine Einwohnerzahl in etwa halten kann. Zur Arbeitsbeschaffung beschliesst eine Gemeindeversammlung 1849 eine Sondersteuer zum Bau von vier Strassen: Passstrasse Bäretswil-Ghöch-Gibswil; Verbindungsstrassen Bussental-Tanne-Wirzwil, Bäretswil-Wappenswil und Adetswil-Hittnau. Der Kanton entrichtet an diese Strassen eher symbolische Beiträge, da er selbst mit dem Ausbau der grossen Strassen enorm belastet ist.
A. Sierszyn, Okt. 2020

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