Stössel Johannes

Johannes Stössel wohnte in Vorderbettswil, ging aber aus dem Stamm der Waswies-Stössel hervor. Hier wohl sein Stammhaus in der Waswies.
Stössel Haus um 1920

Dr. Johannes Stössel (1837-1919) von Bettswil, Regierungsrat, Nationalrat und Ständerrat

Dr. iur. Johannes Stössel, 1837-1919
Sohn eines Kleinbauern von Bettswil
Dr. iur. Johannes Stössel

Johannes Stössel, 1837 geboren als Sohn einer Kleinbauernfamilie in Vorderbettswil Bettswilerstr. 32, verteidigt an der Zürcher Universität schon mit 22 Jahren seine juristische Dissertation. 1869 wird der überzeugte Demokrat Statthalter des Bezirks Hinwil, 1873 Staatsanwalt. Mit Dr. Ludwig Forrer gehört Stössel zu den bestimmenden Exponenten der demokratischen Bewegung. Dem Durchmarsch der Demokraten verdankt unser Land das hohe Gut der direkten Demokratie (in der Zürcher Verfassung seit 1869, in der BV seit 1874).

Für volle 42 Jahre, von 1875 bis 1917, anvertraut ihm die Zürcher Bevölkerung das Amt eines Regierungsrates. Vor allem in den 1880er Jahren ist Johannes Stössel neben Walter Hauser die führende Persönlichkeit in der Regierung. In dieser Zeit ist er auch Präsident des schweizerischen Gewerbeverbandes und der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Zürich. 1897/98 präsidiert er die FDP Schweiz.

Vielleicht noch mehr als sein Zeitgenosse Adolf Guyer-Zeller bleibt Stössel ein Sohn seiner Heimat. Für Heimweh-Oberländer gründet er 1876 den «Zürcher Oberländer Verein», den er über 40 Jahre präsidiert. Johannes Stössel bleibt zeitlebens ein Politiker mit Herz und ein Mann des Volkes, dessen Wohl er sich verschrieben hat. Seine einfache Herkunft, aber auch seine Begegnung mit dem ehemaligen Sozialisten Treichler, «weihen seine demokratische Gesinnung mit sozialem Öl».

Johannes Stössel
Johannes Stössel

Als sich der 77-Jährige 1914 erneut der Wiederwahl stellt, entbrennt ein heftiger Wahlkampf. Junge Herren mit feinen Krawatten umschleichen Stössels Ehefrau mit der inständigen Bitte, ihrem Mann die Kandidatur doch auszureden. Frau Stössel indes antwortet den ungebetenen Gästen: «Chönd dänke, was sell i dänn mit dem Sürmel mache, wänn er de ganz Tag diheime blibt»! (Originalton a. RR Gilgen gemäss interner Überlieferung). Stössel wird für eine weitere Amtsdauer komfortabel bestätigt. Das Geheimnis seiner Volkstümlichkeit lag in seinem echten demokratischen Empfinden und in seinem fast unbegrenzten Wohlwollen, das mitunter auch missbraucht wurde. 80-jährig, von der politischen Entwicklung längst überholt, scheidet er 1917 aus der Regierung, der er während einer sonst unerreichten Rekordzeit von 42 Jahren angehört und die er siebenmal präsidiert hat. Im Jahr 1906 sind die höchsten Stellen von Bezirk, Kanton und Bund durch Bäretswiler Bürger besetzt: Gemeindepräsident Jakob Fischer ist Präsident des Bezirksgerichts, Dr. Johannes Stössel Zürcher Regierungspräsident und Dr. Ludwig Forrer Bundespräsident.

Johannes Stössel sitzt auch 13 Jahre im Nationalrat (1894 als «höchster Schweizer»). Während 14 Jahren vertritt er unseren Kanton im Ständerat. Nicht nur in seinem Gesicht liegt ein Zug von Güte, auch seine ganze Lebensarbeit ist wesentlich von dieser Art geprägt. Schon 1875 finanziert er zum Beispiel mit dem liberal-konservativen Adolf Guyer-Zeller aus der eigenen Tasche für die ganze Bäretswiler Sekundarschule eine dreitägige Bildungsreise aufs Rütli und nach Luzern.

A. Sierszyn, 21.10.2020

Literatur

1 - Wikipedia. Abruf 21.10.2020, Johannes Stössel
2 - Otto Kunz: Barbara, die Feinweberin. Eine Lebensgeschichte aus dem Zürcher Oberland. Genossenschafts-Buchhandlung, Winterthur 1944, In «Barbara» wird J. Stössel wiederholt lobend erwähnt, so zB in Kap. 8

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