Die Täuferhöhle gis liegt südlich von Wappenswil im steilen Gelände des Allmen (1079 m) auf 930 m. Bis 1950 wird sie noch Hohlensteinhöhle genannt. Den heutigen Namen erhält die Höhle von den Wiedertäufern, die sich zur Zeit der Reformation vor den Behörden in dieser Höhle versteckten.
Die Täuferhöhle am Ursprung des Aabachs
Der höchste Punkt der Gemeinde Bäretswil (1074 m, gis) liegt wenige Meter neben dem Gipfel des Allmen (1079 m). In diesem waldigen und steilen Gelände sammelt sich das Wasser des Aabachs, der durch Wappenswil, den Stöckweiher, vorbei an der Spörri-Fabrik und der Staldenmühle durch das Chämtnertobel in den Pfäffikersee und weiter durch das Aathal in den Greifensee fliesst. Auf seinem Weg stürzt sich der Aabach im Hohlenstein (später auch Holenstein geschrieben) und im Chämtnertobel über die im Zürcher Oberland typischen Nagelfluhwände und unterhöhlt diese. Der Wasserfall, in dieser Gegend Giessen genannt, hat im Hohlenstein eine bemerkenswerte Höhle ausgewaschen, die seit 1966 auch auf der offiziellen Karte von Swisstopo «Täuferhöhle» bezeichnet wird.[1] [2] [3] [4] (Oder ist die Höhle als Felsquelle durch den Linthgletscher entstanden, dessen Schmelzwasser sich durch den Allmen gefressen hat? – wie eine neue Hypothese in Wikipedia plausibel darlegt[5])
(Anmerkung: Die letzte Häusergruppe auf dem Weg zur Täuferhöhle heisst ebenfalls Ho(h)lenstein.)
Auf seinem Weg zum Greifensee hat der Aabach in der Frühindustrialisierung für Kontinentaleuropa eine zentrale Bedeutung erlangt. Wurde ihr Wasser vor 1800 für den Betrieb von Mühlen, Sägereien, Reiben und Stampfen nutzbar gemacht, so entstanden im 19. Jahrhundert längs des Aabachs Industriebetriebe. Zwischen Wetzikon und Uster war der Aabach so gewinnbringend, dass er «Millionenbach»[6] genannt wurde. Als dann aber nach der Einführung mechanischer Spinnereien 1832 in Oberuster die Firma Corrodi & Pfister auch die ersten Webmaschinen einführte, war Zorn und Angst um Arbeitsplatzverlust so gross, dass die Fabrik in Brand gesetzt wurde – unter den Anführern der Rellsten Felix mit Wohnsitz nicht unweit der Täuferhöhle.
Die Rundwanderung zur Täuferhöhle
Die Wanderung lockt vor allem in der Sommerszeit, da der Aufstieg vorwiegend durch den erfrischenden Wald verläuft. Man startet bei den Parkplätzen an der Kreuzung, wo sich Höhenstrasse, Wappenswiler- und Maiwinkelstrasse treffen. Hier stand einst das Schulhaus Wappenswil, bevor sich Wappenswil und Bettswil auf den Kompromiss einigten, ein neues gemeinsames Schulhaus Maiwinkel genau in der Mitte zwischen beiden Aussenwachten zu bauen.
Von hier muss man noch ein Stück weit der Höhenstrasse Richtung Tisenwaldsberg – Girenbad folgen, bis die Strasse den Wald erreicht. Über den Waldrücken der «Egg» folgen wir dem Weg Täuferhöhle / Allmen. Auf 1000 m Höhe haben wir nun die Wahl, den Umweg über Allmen (1079 m) – Frauenbrünneli (1026 m) zu nehmen oder direkt zur Täuferhöhle auf 930 m hinunter zu steigen. Die Täuferhöhle lädt mit seinen Tischen und Bänken zum Grillieren ein. Wer die Übersicht liebt, kann aber auch die kurze Strecke zum Waldrand (Chappelen) weiterziehen, wo der 2006 erstellte Picknickplatz des VVB (mit Tisch, Grill und WC!) einen wunderbaren Ausblick auf Wappenswil, Bäretswil und die Zürcher Oberländer Seen, den Pfäffikersee und den Greifensee öffnet.
Kurz weiter unten auf dem Weg befindet sich die ebenfalls 2006 in einer Gedenkfeier installierte Informationstafel zur Geschichte der Wiedertäufer.
Hinunter geht nun der abwechslungsreiche Weg nach Wappenswil, dem Wappenswiler Riet entlang zur Alten Wolkenbruch Sagi und über die Eichschür zurück zum Parkplatz.
Die Reformation und die Wiedertäufer[7]
Seit 1408 sind ist die Herrschaft Grüningen und mit ihr Bäretswil Untertanengebiet der Stadt Zürich. 1525 wird auch in Bäretswil die Reformation eingeführt. Viele der Untertanen des Zürcher Oberlandes und mit ihnen etliche Pfarrer erwarten mit der Reformation von Zwingli und der gepredigten Freiheit des Christenmenschen die politische Freiheit und die Befreiung von der Last der Abgaben. Getreu dem Bibelwort wollten sie keinem andern Herrn dienen und führten für ihre Gläubigen die Erwachsenentaufe ein. Die Anführer der Bewegung wie Conrad Grebel und Felix Manz waren mit Zwingli befreundet und stiessen die Reformation an, waren dann aber in ihrer Konsequenz für die Regierung eine Gefahr und wurden in der Limmat ertränkt. Etliche verloren Hab und Gut, versteckten sich an Orten wie der schwer zugänglichen Täuferhöhle oder mussten die Heimat verlassen.
2003, fast 500 Jahre nach der Verfolgung und Hinrichtung von Wiedertäufern, wurde in Winterthur ein Kongress mit In- und Ausländischen Gästen zur Versöhnung mit deren Nachkommen veranstaltet. Eine Gedenkfeier mit anschliessendem Besuch der Täuferhöhle fand auch in Bäretswil statt. Dabei entstanden Freundschaften, die in einen Gegen-Besuch von Bäretswilern zu Amischen in den USA mündeten.
Die Täufer, Heidegger und das Nadelöhr
Das Kamel mit dem Nadelöhr hat Theologen und Philosophen seit Beginn des Christentums beschäftigt. Reich sein und trotzdem in den Himmel kommen?[8] Wie wörtlich ist die Bibel auszulegen?[9]
Der lange Zeit in Basel wirkende Humanist Erasmus (ca.1467-1536) hat die historisch-kritische Exegese begründet. Es war die Zeit der Renaissance, in der die alten Texte neu entdeckt und interpretiert wurden. Das geschriebene Wort erhielt neuen Wert und wurde in der Reformation sogar zur alleinigen Quelle («sola scriptura») der Heilsbotschaft erhoben.
Aber die Auslegung ausserhalb der Doktrin der Staatskirche wurde den Wiedertäufern zum Verhängnis.
100 Jahre später wurde in Bäretswil Johann Heinrich Heidegger (1633-1698) geboren. Er war Sohn des Bäretswiler Pfarrers Johann Hartmann Heidegger und der Magdalena Wagner, der Pfarrerstochter des Vorgänger Pfarrers Hans Rudolf Wagner. Heidegger war ein berühmter Professor für Hebräisch und hat seinen Ruhm zwei Errungenschaften zu verdanken:
– Heidegger war massgebend beteiligt am «Consensus Helveticus», seinem Glaubensbekenntnis, das er für die gesamte reformierte Kirche verbindlich machen wollte.
– Heidegger verfocht unbeeindruckt von den vor mehr als 100 Jahren gewonnen Erkenntnissen des Erasmus zur historisch-kritischen Textanalyse die Verbalinspiration, nach der die Bibel dem Schreiber bis auf die Vokalpunkte genau eingeflösst worden und entsprechend wörtlich zu nehmen sei.
Und so läuft die Geschichte: Was dem einen zu Ruhm gereicht, führt bei anderen zur Ertränkung in der Limmat.
«Ursula» von Gottfried Keller
Der Stadtzürcher Gottfried Keller hat 1877 im zweiten Band seiner «Züricher Novellen» die Wiedertäufer im Zürcher Oberland thematisiert. Als Staatsschreiber ganz seinem Auftraggeber verpflichtet, rechtfertigt er das Handeln des Staates bis zur Hinrichtung der Wiedertäufer und stellt diese als verirrte und verwirrte Fantasten dar.
1978 wurde die Novelle von Egon Günther in einer Koproduktion von DDR-Fernsehen und SRF verfilmt, was wegen zu viel Haut zu einem Skandal führte. Der Film verschwand dann von der Oberfläche, bis er 2017 zum 500-jährigen Reformationsjubiläum vom Schweizer Fernsehen wieder gezeigt wurde – diesmal, ohne Wellen zu schlagen.[10]
P. Bischofberger, 14.6.2021
Einzelnachweise
[1]Richard Graf: Höhlen im Zürcher Oberland. Pfungen, 2019, Täuferhöhle
[2]Renato Bagattini: Heimatspiegel, Monatsbeilage des ZO. Juli 2021, Gubel und Höhlen im Tösstal
[3]Anmerkung. , In beiden vorangehenden Referenzen wird die Täuferhöhle zum Tösstal gezählt, obwohl sich der Aabach ins Glatttal ergiesst!
[4]Richard Ehrensperger: D Töifferhööli - Bild und Gedicht des Bäretswiler Mundartdichters. 2002, D Töifferhööli
[5]Richard Ehrensperger, Willy Zweifel (pers. Mitteilung): Wikipedia. 26.09.2021, abgerufen am 05.10.2021, Täuferhöhle, Geschichte
[6]Hans-Peter Bärtschi: Heimatspiegel, Monatsbeilage des ZO. Mai 2004, Die erste ... die letzte Spinnerei im Zürcher Oberland
[7]A. Sierszyn: Kirchentag2018.ch. 2018, Die Täuferbewegung im Zürcher Oberland
[8]Matthäus 19,24, Markus 10,25, Lukas 18,25,: «Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.». , vgl. Wiki. Gleichnis vom Nadelöhr
[9]siehe auch Edgar Schuler: Zürcher Oberländer. 04.04.2024, Vitus Huonder und Leviticus 20,13
[10]Wikipedia. abgerufen am 15.06.2021, Ursula