Die Tannenfuhre – eine Brautschau?
Der Brauch der «Tannenfuhr» ist sehr alt und soll auf die Alemannen zurück gehen. Gewählt wird dabei eine mächtige Tanne auf Gemeindegebiet, die manchem Sturm getrotzt hat und der Jugend geschenkt wird. Sie wird versteigert und der Erlös steht der ledigen Jugend für einen Umzug zur Verfügung. Die Tanne wird dann im Umzug durchs Dorf geführt und gibt den ledigen Frauen und Männern Gelegenheit, sich – auch für auswärtige Besucher – von der besten Seite zu präsentieren und nach Braut und Bräutigam Ausschau zu halten.
Diese Tradition stammt aber aus dem Bernbiet und war im Zürcher Oberland unbekannt. Walter Minnig, selber ein Berner, besass im Schürli ein Bauerngut und veranlasste mit seiner Tannenspende die Tannenfuhre. Der Erlös war für einen Fussballplatz im Schürli gedacht[1], den sich der FC-Bäretswil sehnlichst wünschte – und der dann 35 Jahre später 1997 im Tannacher realisiert wurde. Die Tannenfuhre blieb in Bäretswil einmalig, während der Brauch im Bernbiet (Wattenwil, Blumenstein) aktuell neu belebt wird.
Schulpflege Bäretswil, betrifft Tannen-Spende von Walter Minnig
Gestaltung der Tannenfuhre
- Zeitpunkt:
Samstag, 12. Mai 1962, bei schlechtem Wetter 8 Tage später. Auskunft über Abhaltung ab 10 Uhr bei den Lehrern. - Mitwirkende:
Sämtliche Schüler der Gemeinde (ohne Kindergarten) mit ihren Lehreren; die Mitglieder beider Schulpflegen, die Musikgesellschaft Adetswil-Bäretswil (eventuell eine andere Musik). - Programm:
Besammlung der Teilnehmer um 14.15 Uhr beim Bodenholz (Waltsberghöchi)
Formation:
1. Musik
2. Primarschüler von Bäretswil und Adetswil
3. Holzfuhren
a) Zweispänner mit einem Trämel
b) Dreispänner mit zwei Trämeln
Pferde und Tannen blumengeschmückt
4. Primarschüler von Maiwinkel, Tanne, Hof und Berg, Oberschüler, Realschüler, Sekundarschüler
Der Zug der Schüler wird flankiert von den Lehrern und den Schulpflegern (Achtung auf den Verkehr!). Die Schüler sind dazu anzuhalten, in angemessenem Abstand vor und hinter den Fuhren und vor allem nicht neben den Fuhren zu marschieren.
Abmarsch zum Dorf mit Musikbegleitung.
Bärenplatz: Anhalten, Aufstellung der Teilnehmer laut Skizze.
Die Musik zieht spielend ein, bezieht ihren Platz und spielt weiter, bis sich die Kinder gruppiert haben.
Die Schüler vom Dorf singen ein Lied, hierauf kurze Ansprache eines Vertreters der Schulpflege. Trunk an die Fuhrleute. Anschliessend gemeinsamer Gesang aller Schulkinder, eventuell mit Musikbegleitung.
Die Holzfuhren fahren weiter ins Bussenthal.
Die Schüler werden zum Schulhausplatz geführt und dort verpflegt. - Verpflegung:
Unter der Aufsicht der Lehrer und freiwilliger Helferinnen (eventuell Frauenkommission) erhalten die Schüler je ein Paar heisse Wienerli, Brot und Tee. Dasselbe erhalten die Schulpfleger, Lehrer und die Musikanten, letztere zusätzlich ein Fass Bier. Die Verpflegung wird zusätzlich zur Tannen-Spende gestiftet von W. Minnig und einigen weiteren Schulfreunden.
Nachher gemeinsamer Heimmarsch der Schulkinder, schulweise. - Organisation:
Beschluss über Abhaltung oder Verschiebung um 9 Uhr durch R. Sunier, W. Schenkel und Albert Egli unter Mitteilung an die Lehrer. Bei schönem Wetter erfolgt keine Mitteilung.
Meldung der teilnehmenden Schüler durch die betr. Lehrer bis Montag, 7. Mai an Walter Schenkel (wichtig für die Verpflegung).
– Verantwortlich für die Schüleraufsicht: Lehrer und Schulpfleger, Obmann = Walter Schenkel.
– Verantwortlich für die Verpflegung: René Sunier, Albert Egli
– Verantwortlich für die Bestuhlung Schulhausplatz: do. und W. Schenkel
– Verantwortlich für die Verkehrsregelung: Hr. E. Steinmann, event. unter Mitarbeit des Verkehrsdienstes der Feuerwehr (Umleitung Heiri Hauser – Bahnhof – Bahnhofstrasse – Bären – Oberdorf)
– Verantwortlich für den Photographen: Hugo Grimmer
– Verantwortlich für die Presse: Hans Altwegg
– Verantwortlich für das Verpflegen der Schüler: René Sunier und Albert Egli (Tee, Zucker, Becher)
– Verantwortlich für die Fuhren: Max Bohli, Alfred Dubach (Blumenschmuck, Holzaufladen, Fuhrleute engagieren etc.). Die Tannen sollen um 14.15 Uhr fertig verladen sein.
Literatur
1 - tannenfuhr.ch. abgerufen am 06.06.2021, Geschichte der Tannenfuhr
2 - tannenfuhr.ch. , Tannenfuhr, Geschichtlicher Hintergrund (PBE.ERG1.022p)
Einzelnachweise
[1]Albert Meier, pers. Mitteilung: Minnig besass im Schürli auf seinem Landwirtschaftsbetrieb, den er in den 1950er Jahren erwarb, ein grösseres Stück Land. Hier wurde früher bis zur heutigen Mühlestrasse hin grossflächig Kies abgebaut. Die Grube wurde vor 1950 wieder aufgefüllt und diente nun der Landwirtschaft. Um 1960 bildete sich ein «Konsortium» mit René Sunier, Bruno Grob und dem Rosinli-Wirt Heinz Lorenz, um hier einen Fussballplatz zu realisieren. Das Projekt scheiterte aber am Landerwerb.. 4.3.2024