Rellsten Felix, der Brand von Uster … und wie Jakob Stutz das sah
Der Fabrikbrand von Uster am Ustertag 1832 ist in offiziellen Protokollen und von Zeitzeugen gut dokumentiert.[1] [2] Aber das Narrativ vom Aufstand der kleinen Weber gegen die mächtigen Fabrikanten tönt einleuchtend und hält sich fast so hartnäckig wie der Mythos von Wilhelm Tell.
Da war mal der Rädelsführer, der Rellsten Felix, der gemäss Jakob Stutz – er kannte ihn persönlich – kein einfacher Weber war, sondern als Fabrikant bezeichnet werden muss. Fabrikanten gab es damals allerdings viele, da viele Webstühle anschafften, die sie anderen zur Arbeit zur Verfügung stellten und sich damit zu Recht Fabrikanten nannten.
Und dann die Idee vom heldenhaften Kampf gegen den Einsatz der Webmaschinen. Jakob Stutz sah dahinter Aberglauben und einen Mangel an Volksaufklärung, wie er schon im Titel seines Werkes festhält:
Der Brand von Uster oder die Folgen verabsäumter Volksaufklärung
Für ihn ist unverständlich, dass Leute glauben können, mit dem Abfackeln von zwanzig Webmaschinen die Arbeitsplätze erhalten zu können. Es zeigte sich dann auch sehr schnell, dass weder das traditionell hergestellte Calicot Gewebe noch seine Produktionsweise eine Zukunft hatten.
Glück im Unglück hatte der Rellsten Felix, der von einem der besten Advokaten der Zeit und späteren Bundespräsidenten Jonas Furrer verteidigt wurde. Dieser konnte nachweisen, dass Felix Egli in zunehmendem Masse von religiöser Schwärmerei, Schwermut und geistiger Zerrüttung befallen war und rettete ihn so vor dem Todesurteil. Als dann beim Züriputsch von 1839 die Konservativen zur Macht gelangten, erhielt er gar politische Amnestie und das Image eines Helden.
Gerade die heutige Zeit (2020/21) mit einem US-Präsidenten wie Trump, Verschwörungstheorien wie QAnon, mit Empörungs- und Wutbürgertum zeigt, wie Not-wendig Aufklärung und Bildung für den Erhalt der Demokratie sind. Da ist Jakob Stutz top-aktuell!
(siehe auch Abstimmungsresultate zu Covid- und Energiegesetz vom 28. Nov. 2021[4])
Julius Studer hat 1870 in seiner Chronik dem Usterbrand gute 8 Seiten gewidmet. Seine Quintessenz: «Der Schrecklichste der Schrecken das ist der Mensch in seinem Wahn»[5].
siehe auch: Erwin Bucher, Brenzlige Zeiten in Uster, Heimatspiegel Juni 1982 (150-Jahr Gedenken)
P. Bischofberger, 7.2.2021
Literatur
1 - A. Sierszyn, J. Albrecht: Bäretswil. Ein Heimatbuch. Hrsg. Pol. Gem. Bäretswil 2015, Inhaltsverz. S.178ff
2 - Jakob Stutz: Gemälde aus dem Volksleben. Der Brand von Uster. F.Schulthess, Zürich 1836, Digitalisat e-rara
3 - Jakob Zollinger: Heimatspiegel, Monatsbeilage des ZO. Dez.1990, Gespenstisches im Zürcher Oberland
4 - Guido Kalberer: Zürcher Oberländer. 20.01.2024, Aufklärung. 300. Geburtstag von Immanuel Kant
Einzelnachweise
[1]Friedrich Ludwig Keller: Erwähnt sei das Werk von Keller, das bereits 1833 erschien und die detaillierten Gerichtsprotokolle enthält. (zB S. 78ff mit Aussagen des Weinschenken-Wirtes Stössel «im Thal» (Weinschenke seit 1801), dem Gemeindeammann Walder und dem Dekan Waser). Zürich 1833, Digitalisat
[2]Erwin Bucher: Ein sozio-ökonomisches und ein politisches Kapitel aus der Regeneration. 1982, siehe S. 87
[3]Julius Studer: Die Geschichte der Kirchgemeinde Bäretswil. Zürich 1870, Digitalisat S.124
[4]Zürcher Oberländer. 29.11.2021, Abstimmungsresultate zu Covid- und Energiegesetz vom 28.11.2021
[5]Julius Studer: Die Geschichte der Kirchgemeinde Bäretswil. Zürich 1870, Digitalisat S.113ff