Täuferakte «Weber»

Die Reformation der Kirche durch Zwingli forderte die Gläubigen auf, die Bibel selbst zu lesen und sich als befreite Christen-Menschen zu fühlen.

Das Zürcher Oberland war im 16. Jahrhundert Untertanengebiet der Stadt und die Abgaben an die städtische Aristokratie drückten die Bevölkerung sehr. Stadt und Land verstanden aber etwas anderes unter «Freiheit» und als die Landbevölkerung die Bibel zu interpretieren begann und die Erwachsenentaufe proklamierte, war der Konflikt unvermeidlich und die Wiedertäufer wurden verfolgt und teilweise gar in der Limmat ertränkt.

Bäretswil mit der Täuferhöhle war mitten drin in dieser Auseinandersetzung und ist heute noch Gedenkort für Nachfahren von Verfolgten und von Glaubens­flüchtlingen.

Bildliste Transkription: A. Sierszyn

Die Täuferakte im Staatsarchiv

Das Staatsarchiv Zürich beherbergt die «Täuferakte» aus dem 17. Jahrhundert, die über die Enteignung und Einkerkerung von Wiedertäufern aus Bäretswil Zeugnis geben.

Eingliederung der Täuferakte im Staatsarchiv ZH

Diese betreffen die Subdossiers (Signatur):

  • Joggeli Egli von Bäretswil und Lisabeth Leutenegger (F III 36 b 35)
  • Hans Spörri, hinter der Burg Greifenberg und Anna Kägi (F III 36 b 36)
  • Jörg Weber, a. d. Mühlikram[gis] Bäretswil (F III 36 b 37)
  • Jagli Müller, im Breitacker, Bäretswil (F III 36 b 38a)
  • Joggli Hess und Elsbeth Bachmann von Bäretswil (F III 36 b 40)

Die Wiedertäufer wurden in Zürich inhaftiert und deren Habe und Gut («Haab und Gutt») konfisziert. Die Nachkommen konnten zwar weiterhin im Hause wohnen, mussten dafür aber Lehenszins bezahlen. In den 33 Jahresrechnungen von Jörg Weber von 1640 bis 1670 werden den Einnahmen (50 Pfund als Lehenzins) die Ausgaben („Kost und Logis“, das Tischgeld des Inhaftierten im Zürcher Gefängnis) gegenüber gestellt. Dazu A. Sierszyn im Heimatbuch Bäretswil, S.153f[1]:

Jörg Weber ab dem Albis, der nach der Pest den ausgestorbenen Mülichram besiedelt, beschäftigt die Regierung während 30 Jahren. Die Kosten für seine Gefangenschaft im Oetenbach vom 18. Januar bis zum 30. Dezember 1640 belaufen sich auf 165 Pfund, 19 Schilling und 6 Heller. Als man ihn am 4. April 1641 entlässt, verleiht die Regierung Webers Hof im Mülichram an Junior Heini für einen Lehenzins von 50 Pfund. Dieser bittet indes die Regierung ganz untertänig und flehentlich um Nachlass der Restanzen von 366 Pfund sowie des Lehenzinses „in Anbetracht er sein Weib, den Vater und viele Kinder zu erhalten habe“. Die Regierung reduziert darauf die Restanzen auf 80 Pfund und den Lehenzins für das Heimet auf 20 Pfund, „diwilen er gehorsam zur Kilchen gadt“. Im mageren Jahr 1655 erlässt sie Weber den Zins ganz.

Die Akte mit der Messbuch-Verstärkung

Erste Seite der Akte «Jergen Wäbers uss dem Müllikram». Nach der Reformation wurden die lateinisch geschriebenen Messbücher nicht mehr gebraucht. Ganz im Sinne des Recyclings schnitt man die Pergamentseiten in Streifen und verwendete sie zur Verstärkung der Dossier-Rücken.

Die Schreibweise der Zahlen

Im Allgemeinen wurden zu dieser Zeit arabische Zahlen verwendet, so beispielsweise in «Anno 1640». Man hielt aber die voluminösen römischen Zahlen für fälschungssicherer und verwendete sie häufig für die Rechnungs-Beträge. So stehen I, X, C und M für 1, 10, 100 (Centum) und 1000 (Mille). Für die Hälfte der Beträge wird die Hälfte der Ziffern verwendet, so V für 5 (obere Hälfte der Ziffer X), L für 50 (untere Hälfte von C) und D für 500 (ähnlich der linken Hälfte des M). Bei den üblichen römischen Zahlen wird 4 als IV geschrieben und damit 1 von 5 abgezogen, ebenso zB XL für 40 oder CM für 900. Ausserdem wird für 100, 200, 300, 400, 500, 600 … nicht C, CC, CCC, CD, D, DC … sondern iC, iiC, iiiC, iiiiC, vC, viC … geschrieben.

Summarum Alles Ussgebens.
An Gelt iCxxviiii Π viiii S vi H (129 Pfund, 9 Schilling, 6 Heller)

Die Währung besteht aus Pfund (geschrieben wie grosses griechisches Pi), Schilling (1 Pfund = 12 Schilling) und Heller (1 Schilling = 20 Heller).

Heini, sein Weib und die vielen Kinder

Heini Wäber (Heinrich Weber), der Sohn von Jerg Wäber, bittet die Regierung flehentlich um Nachlass der Schuld, „in Anbetracht er sein Weib, den Vater und viele Kinder zu erhalten habe“. Das Kirchenbuch von Bäretswil[2] gibt Auskunft über Taufen, Ehen und Bestattungen der Einwohner. Daraus ist ersichtlich, dass Heinrich Weber (+08.04.1676) am 26.01.1641 Elisabeth Rüegg heiratete und mit ihr 14 Kinder hatte (Taufdatum):
28.11.1641 Jakob, 08.01.1643 Samuel, 17.03.1644 Anna, 05.07.1646 Elisabeth, 24.10.1647 Heinrich, 23.03.1649 Jörg, 03.06.1651 Barbara, 24.09.1654 Regula, 18.11.1655 Georg, 10.01.1658 Hans, 02.09.1660 Hs Rudolf, 28.12.1662 Verena, 08.04.1664 Verena, 26.11.1666 Hs Heinrich.
Dass dabei derselbe Vorname (Verena) ein zweites Mal gewählt wurde, war bei Kindstod üblich.
Aus der Ehe von Samuel Weber (1643-1714) und Barbara Pfenninger (+1691) erwächst Anna Weber (*1680), ein Bindeglied zu den Tösstaler Mystikern des 18. Jahrhunderts.[3] [4]

Nachkommen von Heinrich und Elisabeth Weber leben heute mit Namen Weaver in Pennsylvania, USA.[5]

Pius Bischofberger, zu Martini anno 2024

Einzelnachweise

[1]A. Sierszyn, J. Albrecht: Bäretswil. Ein Heimatbuch. Hrsg. Pol. Gem. Bäretswil 2015, Kap. 5 Bauernunruhen und Täuferbewegung. j) Hab und Gut eingezogen
[2]Manuel Kägi: Online Datenbank der Kirchenbücher von Bäretswil und umliegender Kirchgemeinden. Abruf 26.10.2024, Kirchenbuch.ch
[3]Armin Sierszyn: Christus im Zürioberland. Eigenverlag 2024, 150 Jahre verfolgte Täufer-Kirche im Untergrund, S. 181
[4]Armin Sierszyn: Frommes Zürich. TVZ 2023, Pietismus in der Zürcher Landschaft im 18. Jahrhundert, S. 118f
[5]David Kilchör: Zürcher Oberländer. 14. Mai 2010, Den Alttäufern ein Stück Heimat gebracht

Verzeichnis | blättern >