Bereits 1379 gab es in Müedsbach eine Mühle. Mit dem Müetschbach (Stoffelbach), dem Kringelbach und dem Wissenbach wurde der Ort attraktiv für die Frühindustrialisierung. 1825 kauften die Firma Geilinger, Blum & Co und Johann Gujer[1] [2] die Mühle, bauten eine Baumwollspinnerei und nannten den Ort Neuthal[G]. Hier wurde 1839 Adolf Guyer-Zeller geboren. Nach ausgedehnten Bildungsreisen begann er ab 1878 mit dem grossen Ausbau der Wasserkraftanlage für die Spinnerei und Weberei. Zur Anbindung von Neuthal an die Welt initiierte er den Bau der Uerikon-Bauma-Bahn UeBB mit einem Viadukt hoch über seinen Gebäuden und einem Bahnhof direkt neben seiner Fabrikanlage. Zur Finanzierung seiner Unternehmungen gründete er die Guyer-Zeller Bank. Furore machte er als «Eisenbahnkönig» mit seiner Jungfrau-Bahn durch die Eiger Nordwand.
1937 übernahm die Firma Hegner & Cie die Liegenschaft. Den zukunftsträchtigen Namen «Neuthal» behielt der Ort, auch nachdem die Maschinen 1965 stillstanden und das Fabrik-Ensemble in den Dornröschen-Schlaf fiel. Die Räume wurden als Lager vermietet, bis der Kanton Ende der 1970er Jahre den kulturellen Wert des Ensembles erkannte und die Anlage 1980 samt umliegendem Land kaufte. Durch den Dampfbahnverein DVZO (1969), den Verein zur Erhaltung alter Handwerks- und Industrieanlagen VEHI (1979), den Industrielehrpfad (1983) und die Gruppe für die Wasserkraftanlage GIN (1990) wurde Neuthal zum Museumsort für die Frühindustrialisierung.
1983 richtete sich in der Fabrikantenvilla die Suchttherapie ALG Neuthal ein.
1984 Zusammenschluss von Industrielehrpfad ILP und VEHI.
1991 Die Spinnmaschinen der stillgelegten Spinnerei Streiff im Aathal kommen in die neu gegründete Museumsspinnerei Neuthal MSN. Die Maschinen werden unter der Leitung der ehemaligen Textilunternehmer Rico Trümpler und Jakob Streiff vorwiegend von ehemaligen Rieter-Monteuren und -Mechanikern installiert und betreut.
1994 und 1998 wird das Museum in 2 Etappen eröffnet. Es umfasst den restaurierten Turm mit der Girard-Turbine und der Transmissionsanlage von 1879 zur Übertragung der Wasserkraft für die Spinnerei sowie Maschinen der ehemaligen Spinnerei Streiff und von Rieter zur lückenlosen Erzeugung des Garns aus Baumwolle.
2010 wurde durch den Kanton das Webmaschinenmuseum mit der Sammlung aus Rüti eingerichtet.[3]
2014 erhielt das Museum den Bereich Stickerei.[4]
So sind im Industrie-Ensemble Neuthal zur Zeit neben der Therapie-Stiftung die 4 Industriethemen «Wasserkraft», «Baumwollspinnerei», «Webmaschinensammlung» und «Handstickmaschinen» vereint.
Im Sommer 2017 fand hier das Freilichtspektakel «Spinnen im Neuthal» statt, eine szenografische Aufführung von Melanie Mock und Elisabeth Wegmann.
2019 wird der Verein NIK gegründet. Mit Nora Baur (Kunsthistorikerin, Leitung) und Daniela Beyeler (Touristikfachfrau) stehen zwei Frauen am Ruder von «Museum Neuthal Textil- und Industriekultur» (NIK).[5] [6]
In einem Projekt «Grabe, wo du stehst» der Volkshochschule des Kt. Zürich wurde das «Fabriklerleben im Neuthal» in Interviews mit Zeitzeugen thematisiert.
Literatur
1 - Hans-Peter Bärtschi: IndustrieArchäologie 1/1993. März 1993, Zum Aufbau eines Textilmaschinenmuseums im Zürcher Oberland
2 - Hans-Peter Bärtschi: IndustrieArchäologie 2/2004. Juni 2004, Vom Werkmuseum zum Webmaschinenmuseum Rüti ZH
3 - Claudia Fischer-Karrer, Cornel Doswald: Industriepfad Zürcher Oberland. Abruf 15.2.2022, Industrieensemble Neuthal
4 - Hanna Gervasi / H.- P. Bärtschi, Winterthur: Industriekultur Schweiz. Abruf 15.2.2022, nach «Neuthal» suchen
5 - Baudirektion Kt.ZH: Webmaschinensammlung Neuthal, Bäretswil. 18.4.2010, Einweihungsdokumentation
6 - Andrea Tiziani: Die Webmaschinensammlung von Rüti - vom Sammlungsobjekt zum Kulturgut. 08.12.2019, Abruf 19.04.2022, Artikel
7 - Albert Gasser: Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Bd. 20. 1968, Caspar Honegger
8 - NIK: Museum Neuthal Textil- & Industriekultur. 25.10.2021, Was gibt es im Museum Neuthal Textil- & Industriekultur zu entdecken?
9 - NIK: Museum Neuthal Textil- & Industriekultur. 20.10.2021, Museum Video mit Nora Baur, Brigitte Nauer, Rico Trümpler und Hans Kaufmann
10 - ur, heimatschutzforum.ch: Beabsichtigte Restaurierung der Grottenanlage. Dez. 2013, Artikel
Einzelnachweise
[1]Markus Bürgi: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS) 16.03.2006, Johann Rudolf Guyer
[2]Anmerkung: Sein Vater Hans Heinrich und sein Bruder Heinrich nannten sich noch Gujer, Johann Rudolf wechselte auf Guyer. , cf. W. Sprenger
[3]Charles Karcher, Hans W. Krause: Webmaschinen. April 2015, Erlebnis Rüti Webmaschinen-Sammlung
[4]Dominik Landwehr: Zürcher Oberländer. 20.5.2022, Wie Brigitte Nauer zu den Handstickmaschinen kam
[5]Fabienne Grimm: Zürcher Oberländer. 2. Feb. 2021, Neuthal mit neuer Leitung
[6]Ulrich Nydegger: Turbine Info, 39. Ausgabe. Juli 2021, Interview mit Nora Baur